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Künstliche Intelligenz und Musik:
5 Anwendungsfälle – und warum Künstler trotzdem nicht ersetzbar sind

© Gerd Altmann für Pixabay

Musik ist die Sprache der Seele und ein Ausdruck unserer Emotionen. Schon immer begeistert sie Menschen auf der ganzen Welt und schafft eine universelle Verbindung zwischen uns. Doch mit der fortschreitenden Technologie und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Musikindustrie stellt sich grundlegend die Frage: Kann eine Maschine jemals das geniale und unvorhersehbare Songwriting eines Künstlers mit eigenem Willen ersetzen?

KI und Technologie werden die Rolle des Musikers verändern –
doch der kreative Kopf wird unersetzbar bleiben

In diesem Artikel werden wir uns damit auseinandersetzen, wie KI Musiker unterstützen kann und warum die Kreativität und die Spontaneität des freien Willens unersetzbar bleiben …

Je vorhersehbarer die Struktur der Musikspur, desto weniger Mensch braucht es

Vor allem bei einfachen und wiederkehrenden Aufgaben, wie dem Generieren von Drumbeats, hat Künstliche Intelligenz in der Musikbranche einen bedeutenden Fortschritt gemacht. Diese Beats folgen klaren musikalischen Regeln und Mustern. Gerüste wie Takt und Tempo sind ein Anwendungsgebiet mit klarer Struktur; etwas ist ein 4/4-Takt bei 120 bpm oder eben nicht.

Zahlreiche Musikproduktionstools nutzen bereits Machine-Learning-Algorithmen, um Percussion-Fundamente automatisch zu erstellen. Das spart vermeintlich Zeit und Mühe (wenn der Produzent die KI souverän bedienen kann) und beschleunigt den Produktionsprozess. Beispiele hierfür sind das Programm „AIVA“  (Artificial Intelligence Virtual Artist) oder „Melodrive“ , die beide in der Lage sind, realistische und abwechslungsreiche Drumbeats zu generieren.

„Kreativität setzt immer einen unabhängigen Willen voraus und damit eine Persönlichkeit“

KI kann zwar auf vorhandene Muster und Regeln zurückgreifen und sie perfekt reproduzieren. Aber sie ist nicht in der Lage, aus sich selbst heraus kreativ zu denken und neue, innovative Ideen zu erschaffen.

Echte künstlerische Meisterleistungen kommen daher nicht aus komplizierten Algorithmen, sondern aus den Köpfen und Herzen von Musikern, die den freien Willen dazu haben.

KI erschafft Musik aus sehr engen, logisch-mathematischen Ursache-Wirkung-Ketten. Per Definitionem generiert bzw. reproduziert sie nur das was sie an bereits bestehenden Regeln und Strukturen gelernt hat. Kreativität aber ist das Unerwartete, Überraschende und die Schönheit und Emotionalität der Wirkung ohne Erklärung.

Doch es gibt in der Musik Anwendungsgebiete für KI jenseits von Beats und Rhythmen …

Überall dort, wo zwei Voraussetzungen gegeben sind, kann Künstliche Intelligenz Musiker und Produzenten unterstützen. Oder zumindest das Arrangieren beschleunigen. Denn es gibt eine bestehende Grundlage, auf die KI aufsetzen kann. Etwa eine Referenz oder einen unfertigen Song, der nur noch vervollständigt bzw. fertiggestellt werden muss. Dabei gibt es dann ein klares Regelwerk, dessen Parameter vorher festgelegt, die KI dann befolgt. Also brauchen wir einen Produzenten, der die KI mit den richtigen Instruktionen füttern kann:

1. Anwendungsfall der Künstlichen Intelligenz in der Musik: Das Mixing

Eine der bemerkenswertesten Errungenschaften der KI in der Musikproduktion ist die Fähigkeit, Songs zu mischen. Das Abmischen von Musik ist eine komplexe Aufgabe, die eine Menge Erfahrung und Know-how erfordert. Es geht hier darum, die verschiedenen Spuren von Instrumenten und Gesang so aufeinander abzustimmen, dass sie sich harmonisch ergänzen und die gewünschte Klangqualität erreichen.

Mit der Entwicklung von KI-Technologie ist es möglich geworden, dass Computerprogramme diese Aufgabe automatisiert und präzise ausführen. Durch die Analyse von Musikstücken und das Erlernen von Algorithmen und Parametern können KI-Systeme nunmehr frisch eingespielte Spuren aus dem Tonstudio effektiv und schnell abmischen. Das spart nicht nur Zeit und Geld, sondern trägt auch zu einer höheren Qualität und Konsistenz bei der Produktion von Musik bei.

Die Kombination aus menschlicher Kreativität und KI-Technologie könnte die Musikproduktion tatsächlich auf ein völlig neues Niveau heben – ein Miteinander, das auch mit wenig Ressourcen zu sehr hoher Klangqualität führen kann.

KI hat längst Einzug in die Heimstudios gehalten … / © Stefan Schweihofer, Andy C.

2. Anwendungsfall von KI in der Musik: Das Mastering

Neben dem Abmischen von Musikstücken hat KI auch die Fähigkeit, das Mastering von Songs zu übernehmen. Mastering ist ein elementarer Schritt in der Musikproduktion. Der Klang und das Volumen eines Musikstücks wird weiter optimiert, um es auf eine bestmögliche Wiedergabe auf verschiedenen Geräten vorzubereiten. Hierbei spielt die Künstliche Intelligenz eine zentrale Rolle – insbesondere wenn bereits vorhandene Referenzen vorliegen.

Durch die Analyse von bestehenden Aufnahmen und dem Einsatz der Algorithmen können KI-Systeme dazu beitragen, dass unterschiedliche Aufnahmen konsistent klingen und einheitliche Klangqualitäten aufweisen.

Darüber hinaus ermöglicht die KI eine Optimierung des Klangvolumens, die Entfernung von unerwünschten Störgeräuschen sowie die Anpassung der Klangbalance an unterschiedliche Wiedergabesysteme. So eine KI-Technologie kann nicht nur dazu beitragen, Musikproduzenten effizienter arbeiten zu lassen, sondern führt auch zu einer höheren Klangqualität für Solokünstler, Einsteiger im Homerecording und zu einer besseren Hörerfahrung für das Publikum.

Obwohl die KI-Technologie in der Musikproduktion eine beeindruckende Präzision bietet, darfst du jedoch nicht vergessen, dass Musik mehr als nur mathematische Berechnungen ist. Die menschliche Intuition ist so wichtig wie technische Perfektion, um die künstlerische Vision zu bewahren.

3. Anwendungsfall Künstlicher Intelligenz in der Musikproduktion: Extrapolation

Stell dir vor, du hast eine Idee für ein Riff. Du schnappst dir deine Gitarre und spielst es quick and dirty ein. Vielleicht schon direkt mit Metronom, wir haben doch Ansprüche, oder? Jetzt kann eine KI auf dein eingespieltes Riff andere Instrumente extrapolieren (ableiten, abschätzen). Beispielsweise setzt die KI eine Bassline drunter, oder ein Drumbeat drüber und noch ein paar Fills hier und da.

Mit anderen Worten: die KI kann als Einspiel-Assistent dienen. So hilft Künstliche Intelligenz menschlichen Musikern neue Songideen schnell und einfach weiterzuentwickeln und in Demoaufnahmen zu gießen. Eine vollständige Beta-Version des Musikstückes entsteht. Sitzt das Riff, die Bassspur und der Drumbeat, spielst du vielleicht noch ein Solo drüber. Auch hier kann die KI dann weitere Spuren passend auffüllen.

Das darfst du nur nicht mit echtem Songwriting verwechseln. Die KI baut eine passende aber durchschnittliche Bassspur zu deinem Gitarrensolo. Ein No-Brainer. Nicht mehr, nicht weniger. Dies kann auch dazu beitragen, dass Musiker ihre kreativen Grenzen erweitern und neue Genres und Stile erforschen und verbinden.

4. Anwendungsfall von KI in der Musikproduktion: Störgeräusche entfernen

Eine weitere nützliche Anwendung der KI-Technologie ist die Entfernung von Störgeräuschen in bestehenden Musikspuren. Während der Aufnahme von Musikstücken können (trotz Noise Gate) Störgeräusche wie Hintergrundgeräusche, Brummen oder Knacken auftreten, die das Hörerlebnis beeinträchtigen. Die KI-Technologie hilft dabei, diese störenden Geräusche zu identifizieren und zu entfernen und verbessert so den Klang der Musik. Hierbei analysiert die KI-Technologie das Musikstück und identifiziert die Störgeräusche mit Algorithmen und erlernten Mustern.

Anschließend kann die KI-Technologie diese Störgeräusche automatisch entfernen, ohne dabei den Klang der Musik selbst zu beeinträchtigen. Das trägt dazu bei, dass die Qualität und Klangreinheit von Musikstücken verbessert wird, was insbesondere für Live-Aufnahmen und Konzerte von großer Bedeutung ist.

Die KI ist schon heute sehr viel besser darin, Muster zu erkennen, als Menschen es sind. Unerwünschte Töne zu entfernen könnte der sicherste und einfachste Anwendungsfall für die KI in der Musik sein.

5. Anwendungsfall: KI-Equalizer und KI-Kompressor

Sehr gute Mischer bewirken wahre Wunder an Equalizern und Kompressoren. Sie investieren dabei viele Stunden in Übung, Testing, gute Software und Hardware und tolle Studiomonitore. Eine KI mischt und komprimiert in Sekunden, sie tut dies nach einem parametrisierten Vorbild. Bekommt sie aber genaue Anweisungen wie „Wende den Equalizer-Mix dieses Tracks als Voreinstellung auf das gesamte Album an“ , kann enorm viel Zeit eingespart werden.

4 Gründe, die trotzdem langfristig für den menschlichen Musiker sprechen

Die Künstliche Intelligenz kann also schon so einiges. Und das ist besonders erfreulich dort, wo sie uns Arbeit abnimmt. Aber Moment – ist das, was wir als Musiker machen, eigentlich Arbeit im herkömmlichen Sinne?

1. Musik zu machen ist etwas anderes als Steine zu klopfen – wir tun es gerne

Musik macht Spaß. Es ist ein schönes Gefühl, die Spuren einzuspielen, bis der perfekte Flow entstanden ist. Es ist befreiend, einen Song nach und nach fertigzustellen, zu testen, zu tüfteln, zu werkeln, bis ein Gesamtkunstwerk entstanden ist. Das gilt sowohl für die Instrumentalisten als auch für das Abmischen der Musik und das Mastering.

Arbeit zu automatisieren ist gut – aber Musik ist Leidenschaft, Handwerk und persönliche Entfaltung – das an eine KI abzugeben, wirkt absurd.

2. Musik kreieren einer KI zu überlassen, ist ein Kontrollverlust

Es ist ein bisschen wie der Unterschied zwischen einer guten Essensbestellung und dem Selbstkochen: Zwar kann die KI das sehr gut liefern, von dem du denkst, dass du es haben willst. Aber was am Ende aus der Künstlichen Intelligenz herauskommt, ist immer ein bisschen offen. Du willst den Basslauf doch ein wenig saftiger? Noch mal die KI „nach-instruieren“. Ein Fill in der Bridge ist dir zu funky? Oder zu wenig progressiv? Weg damit und noch mal aufs Knöpfchen drücken. Oder resignierst du und lässt der KI ihren Willen?

Eine KI macht zwar ungefähr, was wir ihr sagen. Aber oft auch nur so ungefähr. Die Gefahr dabei ist groß, dass wir aus Bequemlichkeit auf das niedrige Niveau der KI absinken.

3. Kreativität „by accident“ wird durch KI unwahrscheinlich

In der Zusammenarbeit von Musikern passieren immer wieder unerwartete Dinge. Kreative Unfälle, Improvisationen und spontane Ideen entstehen dadurch, dass ihr euch gegenseitig inspiriert. Das stärkt eure Band und gibt euch Selbstvertrauen. Wo ein anderer Musiker ein Sparringspartner ist, ist die KI höchstens ein besserer Boxsack. Eine KI fordert uns nicht so sehr heraus wie charakterstarke, phantasievolle Bandkollegen oder fordernde, produktive Mischer.

4. Musik ist im Kern die Interaktion von verschiedenen Menschen

Musik ist Kommunikation. Zum einen ist es ein Hin und Her der Musiker untereinander. Jeder, der schon mal im Proberaum und auf der Bühne mit Augenkontakt untereinander Musik gemacht – oder gar improvisiert – hat, wird das bestätigen. Mit der KI in der Musik wird das Musizieren möglicherweise zu einer Solobeschäftigung, isoliert im stillen Homestudio. Interaktion und Kommunikation findet nicht mehr statt. Das mag manch ein Künstlernerd vielleicht gut finden, doch oft raubt es das magische, emotionale Miteinander von Bands.

Eine weitere Perspektive ist die Musik als Kommunikationsform zwischen Musiker und Publikum. Macht nun die KI einen mehr oder weniger erheblichen Teil eines Songs, wer spricht dann zum Publikum? Ein Algorithmus? Der Computer? Ein Code? Wie authentisch und glaubhaft kommen sie bei den Hörern an? Und werdet ihr dann noch als ernsthafte Musiker wahrgenommen?

Wenn wir sagen, dass die Musik auch immer Kommunikation ist, so meinen wir: Sie funktioniert zwischen den Menschen auf ganz anderen Ebenen.

Fazit: Wir werden auch weiterhin die kreativen Köpfe brauchen, die einzigartige Musik hervorbringen. Für Solokünstler jedoch kann die Unterstützung der KI interessante Möglichkeiten und Techniken hervorbringen. Übernimmt jedoch Künstliche Intelligenz das Musizieren, Komponieren und Instrumentalisieren komplett, wird Musik fad und langweilig.

Dieser Beitrag wurde das erste Mal am 20.03.2023 im IMG Stageline Magazin veröffentlicht.

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