Computertechnik optimiert Arbeitsprozesse / © Didarul.Islam/Pexels
In der Veranstaltungsbranche wird immer noch viel darüber nachgedacht, „wie´s früher mal war“ bzw. „wie war´s vor 2020″, oder „vor Corona“. Doch einige Gedankenspiele befassen sich mit dem aktuellen Stand der Entwicklungen und neuen Erfahrungen. Deswegen: anstatt über eine vergangene Welt nachzusinnen, sollten die neuen Aufgaben in der Branche mit innovativem Feuer und Ideenreichtum angegangen werden …
Aufbruch in eine neue Zeit?
„New Now!“ ist das Schlagwort der schlauen (Marketing-) Köpfe der Veranstaltungsbranche: „Althergebrachtes, Traditionelles, aber auch Bewährtes soll zwar erhalten und gleichzeitig neu gedacht werden, doch Schwerpunkt ist die Digitalisierung; sie soll konsequent umgesetzt werden. Virtuelle Events werden visuell immer weiter optimiert, traumhaft sinnliches Event-Entertainment wird mehr und mehr digital erzeugt. Holografische Lichtgestalten ziehen in den Event-Himmel ein … „
Event-Design und Nachhaltigkeit übernehmen eine zunehmend starke Rolle in der Produktion. Der „Livestyle“ kombiniert neue Geschäftsmodelle, Technologie, Vertrieb und kreative Kommunikation.
Die Branche stieg letztes Jahr wie der „Phoenix aus der Asche“, und heute gibt es mehr Events als je zuvor – in der Event- und Unterhaltungsbranche herrscht wieder Vollbeschäftigung. Doch die Branche hat auch Nachwuchsprobleme. Wer heute vielseitige Ausbildungsplätze anbieten kann, muss dann auch noch den/die begeisterte*n und leistungsbereite*n Auszubildende*n finden, jemand der sich mit guten, innovativen Ideen und vollem Einsatz einbringt. Am Ende dieses Beitrags noch etwas mehr dazu …
Was für eine Rolle wird dabei die künstliche Intelligenz in der Veranstaltungsbranche spielen?
Der Trend geht zur Automatisierung von Events durch Künstliche Intelligenz und Machine Learning . Standardisierte und wiederkehrende Aufgaben werden „gelernt“, aus den strukturierten Datenmengen lassen sich neue Informationen ableiten und systematisch filtern. KI gesteuerte Algorithmen verbessern Audio- und Videoqualität, optimieren Licht- und Energieverbrauch und bieten schnelle und effiziente Lösungen komplexer Arbeitsprozesse.
AI bzw. KI wird die Veranstaltungstechnik revolutionieren:
Intelligente Systeme optimieren Arbeitsprozesse, verbessern die
Audio- und Videoqualität und helfen Energie zu sparen
Beispiel Marketing: Genau durchdachte Informationen werden herausgefiltert, etwa über den besten Zeitpunkt, ein Produkt auf einer Messe zu präsentieren und zu vermarkten, oder die effektivste Anordnung von Messeständen wird von der KI „kalkuliert und berechnet“, um den Besucher gezielt dort vorbei zu leiten.
Technologie kann Events nachhaltiger machen, was vielleicht zunächst als eine Hürde wahrgenommen wird, die aber dank Machine Learning überwunden werden kann.
Die Digitalisierung der Veranstaltungsbranche
»Digital ist besser« sangen Tocotronic auf ihrem 1995 erschienenen, damals noch analog produzierten Debütalbum. Was als ironischer Kommentar zum Aufbruch ins digitale Zeitalter gemeint war – für viele Musiker*innen und Musikkonsument*innen ist das mittlerweile Standard. Musik wird digital produziert, gekauft, getauscht oder online gestreamt und über MP3-Player oder Smartphones konsumiert.
Was ändert sich im Studio
Hier werden mit Hilfe der zahlreichen digitalen Workstations, Sounds reproduziert oder gesampled, die von analogen Instrumenten nicht mehr zu unterscheiden sind. Einige dieser DAW´s (Digital Audio Workstation) sind sogar kostenlos als App downloadbar.
Ob es nun einfache Freeware-Ableger von Kaufsoftware wie z.B. „Ableton Live Lite“ und „Waveform Free (Tracktion) sind oder von Anfang an kostenlose Softwares wie „Audacity“ und „Reaper“ – oder – die Klassiker Cubase (Steinberg) und Logic Pro (Apple), eine Vielzahl in der Leistung unterschiedlicher DAW’s, tummelt sich da auf dem Markt. Und die Hersteller sind auf dem Weg, die Software KI-gestützt umzubauen.
Was ändert sich in der Tontechnik?
Die analoge Technik allgemein hin wurde in den letzten Jahren immer stärker sichtbar durch neue digitale Technologien ersetzt bzw. erweitert. In der Tontechnik setzen digitale Produkte neue Qualitätsmaßstäbe: Mischpulte, Effektgeräte, Noisegates und dergleichen werden visuell auf dem Tablet und sogar am Handy bedient. Glücklich der FOH-Techniker, der ein stabiles Internet hat …
Die heutigen Möglichkeiten der Automatisierung mit einer „intelligenten“ Fernsteuerung der technischen Abläufe ist ein weiterer wichtiger Grund Bühnen- und Licht- bzw. Videotechnik zu digitalisieren. Durch den Einsatz von smarten Systemen können die Abläufe und Prozesse während einer Veranstaltung deutlich komfortabler gefahren werden.
Was ändert sich bei Organisation von Events?
Die Digitalisierung ist der Schlüssel zur Kosteneeffizienz in der Bühnen- und Veranstaltungstechnik. Durch den Einsatz digitaler Technologien werden Veranstaltungen auf ein neues Niveau gehoben, weil sie interaktiver, immersiver und effektiver gestaltet werden können …
Durch den Einsatz digitaler Planungstools und Software werden Veranstaltungen effizienter organisiert. Dies führt zu einer spürbaren Zeit- und Kostenersparnis. Genau um das effiziente digitale Handling geht auch in unserem Beitrag Die “Papierlose Bühne”? Klar, mit der richtigen App geht das. Auch dieser weitere Beitrag von unserem „digital-on-stage“ Profi Chris passt zum Thema: Automation auf der Bühne – Arbeiten mit MIDI SysEx Befehlen – Ein Praxisbericht.
Event-Marketing
Die Digitalisierung ist auch in der Eventvermarktung längst angekommen. Das bestätigt eine Events Studie (XING) des Jahres 2019, an der etwa 2.500 deutsche und internationale Eventveranstalter und 2.100 weitere Studienteilnehmer mitgewirkt haben. Von über 65% der Veranstalter wurde die Digitalisierung als tatsächlicher und nachhaltiger Trend bewertet und über 80 Prozent der anderen Studienteilnehmer wünschten sich den Einsatz digitaler Angebote bei Events.
75 Prozent der befragten Veranstalter nutzen bereits
digitale Lösungen für Ihr Marketing
Die Möglichkeiten des Kennenlernens und der Interaktion in sozialen Netzwerken oder speziellen Event-Apps spielen eine wachsende Rolle. Informationstransparenz ist für die meisten Studienteilnehmer sehr wichtig, genauso wie der Einsatz des Online-Ticketing.
Sämtliche Marketing-Optionen der Veranstaltungswirtschaft sind heute digital verfügbar. Angefangen mit dem Ticketverkauf, über Newsletter-Kampagnen bis hin zu Schulungen und Webinaren, wird das analoge Pendant ergänzt, ersetzt oder größtenteils überflüssig. Hier eine kleine Liste der digitalen Bereiche, die in der Branche prozentual bereits genutzt werden – und welche Optionen nutzt ihr bereits?
- Online Tickets (92%)
- Email-Kampagnen / Newsletter (72%)
- Online-Vermarktung (66%)
- Online Communities / Social Media (52%)
- Networking-Apps (48%)
- Event-Apps (z.B. interaktive Konferenzen) (48%)
- Video Streams (32%)
- Einlassmanagement als App (28%)
- Digitale Interaktionstools für Publikumsfragen (28%)
- Liveprojektionen, digitales Monitoring (Social Media Monitoring, Web Analytics, Twitterwall etc.) (19%)
- Augmented / Virtual Reality (13%)
- Digitale Navigationslösungen (iBeacons = Bluetooth Sender zur Lokalisierung in geschlossenen Räumen) (11%)
- Anderes (2%)
Ein Beispiel: Bei vielen Konferenzen, BarCamps und Netzwerk-Events ist sie nicht mehr wegzudenken: Die „Twitterwall“ (oder Social Media Wall), auf der alle Tweets bzw. Social Media Beiträge zu einem bestimmten Thema oder Hashtag gesammelt und dargestellt werden (siehe auch Wikipedia) – per Beamer oder auch auf dem großen Flachbildschirm.
Zum Thema Live-Kommunikation und Experience-Marketing fand Ende letzten Jahres eine Convention statt: nextlive.festival. Das Marketing-Festival richtete sich exklusiv an Corporate Marketing- und Event-Budgetentscheider*innen.
Augmented Reality* / Virtual Reality in der Eventbranche
Durch die Digitalisierung in der Veranstaltungstechnik entstehen nicht nur nützliche und kreative neue Ideen. Neue innovative Gestaltungsansätze im Bühnenbau und Bühnendesign werden möglich. So wie Musikanbieter YouTube oder Spotify mittlerweile die Kreativität der Musiker*innen beeinflussen, beeinflussen intelligente Systeme in Zukunft die Kreativität der Designer*innen in der Bühnengestaltung.
Doch wie können Nutzer*innen komplexer Technik und Produkte im Bühnen- und Veranstaltungsbereich von augmentierter Realität profitieren? Neben der Zeitersparnis beim Aufbau komplizierter Maschinerien mit ihren Steuerungen steht hier vor allem eine steigende Sicherheit im Aufbau solcher Konstruktionen im Vordergrund. Interaktive 3D-Modelle (BIM**) werden zu Bedienungshilfen („Vectorworks“) für unübersichtliche Konstruktionen und Systeme.
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Wesko Rohde, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft (DTHG): „Die innovativsten Kräfte zu bündeln, zu forschen, Erkenntnisse zu gewinnen, sie kenntlich zu machen und einem breiten Publikum zu vermitteln, das ist die Motivation für das Forschungsprojekt Im/material Theatre Spaces„.
Mit Hilfe einer umfassenden Ausbildung zu Spezialisten für die neuen Technologien, entsteht ein leichteres Verständnis für eine optimierte Bedienung dieser neuen KI-gestützten Techniken. Zu dem Thema „Berufsspezialist*in für Theatertechnik“ hat die DTHG eine „Denkschrift“ veröffentlicht. Außerdem veranstaltet die Theatergesellschaft am 19. Juni eine Tagung mit Messe, wo die KI-gestützten Systeme Diskussionsgegenstand sind (näheres dazu in unserem Event-Kalender)
Doch auch der Einsatz von virtueller bzw. erweiterter Realität in der Lichttechnik kann einzigartige und tief beeindruckende Erlebnisse schaffen. Holografische Animationen – Gestalten aus reinem Licht – werden zum zentralen Highlight einer bis ins kleinste durchgeplanten Liveperformance. Ein schönes Beispiel für die gelungene holografische und animierte Projektion ist dieses Video:
Sicherheit auf den Veranstaltungen
Digitale Lösungen ermöglichen eine genauere Überwachung und Kontrolle der Technik. So können potenzielle Sicherheitsrisiken minimiert werden. Es fängt schon beim Ticketverkauf an: personalisierte Eintrittskarten, online bestellt, existieren nur noch virtuell und werden per Scan auf´m Handy registriert und entwertet. So entstehen vollständige Listen mit Informationen über das Publikum. Der Datenschutz läßt grüßen.
Einer intelligenten Videoüberwachung kann beigebracht werden agressives Verhalten im Publikum zu erkennen – Sicherheitspersonal wird so schon vorab informiert, bevor ein Streit eskaliert. Die intelligente Videoüberwachung kann auch erkennen, ob es im Publikum zu gesundheitlichen Problemen kommt und Sanitäter können rechtzeitig eingreifen. Doch in beiden Fällen gilt: vorsichtshalber lieber einmal zu früh bzw. zu oft reagiert, als dann ein Personenschaden entsteht.
Die Nachhaltigkeit von Konzerten
Intelligente Systeme in der Haustechnik sind schon seit einiger Zeit dafür bekannt den Verbrauch zu ökonomisieren. Genauso bei großen Live-Shows und Konzerten. Wenn die entsprechenden smarten Systeme alle Verbraucher kontrollieren und optimieren kann durchaus Energie gespart werden. Die neuen Technologien sind denn auch heutzutage auf Effizienz ausgerichtet und die Hersteller versprechen klimaschonende Technologien – die wachsende woke Lifestyle-Gemeinde erwartet und verlangt das!
Karriere in der Veranstaltungswirtschaft
Die Veranstaltungsindustrie – richtig, sie kann als Industriezweig betrachtet werden – wird immer vielseitiger und komplexer, so das jede*r, der/die sich für dieses riesige Aufgabengebiet zu interessieren beginnt auch ihre/seine individuelle Sparte finden wird. Für die Programmierung komplexer (KI-)Systeme beispielsweise entstehen in der Branche gerade die Jobs der Zukunft.
Aber auch in der Ton-, Licht,- Video- und Bühnentechnik sowie im Event-Marketing wird bald nix mehr gehen ohne KI-gestützte Systeme. Doch diese zukünftigen Profis müssen vorher ausgebildet werden. Dazu gibt es auf azubister.de/magazin/branche/ausbildung-event einen großen Bereich, der sich mit den vielen Ausbildungsmöglichkeiten in der Veranstaltungsbranche befasst.
Auf eins möchte ich noch aufmerksam machen: Die Universität Kaiserslautern-Landau bietet den Studiengang Medien- und Kommunikationstechnik an, ein Studiengang, der sich im ersten Teil des Studiums mit den mathematischen, technischen und naturwissenschaftlichen Grundlagen beschäftigt und im zweiten Teil dann mit den Elementen der Medienproduktion und -gestaltung im Bereich Audio, Video und Webinhalten.
Zum Schluss empfehle ich noch vier StageAID Beiträge, die sich mit der Ausbildung im Eventbereich auseinandersetzen:
Herausforderungen an die Ausbildung zum Tontechniker
Interesse an einer Ausbildung zur Elektrofachkraft in der Veranstaltungstechnik?
Schon mal an eine Ausbildung zum Veranstaltungstechniker gedacht?
Das HOFA-College: Fernschule für Tontechnik & Musikproduktion
*Augmented Reality =„erweiterte Realität“, in der Fachsprache ist ebenso von „angereicherter Realität“ die Rede. Demnach werden in die reale Welt digitale Elemente eingefügt – direkt auf einem Bildschirm, als holografische Projektion oder in einer Brille.
** BIM = Building Information Model bezeichnet das dreidimensionale Modell einer Architektur inklusive aller nötigen Informationen zu den verbauten Elementen (Fabrikat, Farbe, Material etc.) aber auch der Haustechnik. Vectorworks hat nun eine Software entwickelt, die speziell auf den Bühnenbau abgestimmt ist.
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