Die Königsdisziplin: Multitrack-Recording
Lest hier Teil 1 dieses Zweiteilers. Multitrack-Recording wird von den Profis genutzt. Wir haben hier alle Möglichkeiten, eine professionelle Aufnahme abzuliefern. Jedes Instrument bekommt eine oder mehrere Spuren bei der Aufnahme und kann dort im Nachhinein völlig separat nachbearbeitet werden.
Eine Gitarre bekommt nachträglich einen anderen Sound, Backingtracks können im Nachhinein addiert oder korrigiert werden. Es ist so ziemlich alles möglich, was auch beim Recording und der Nachbearbeitung im Studio passiert.
Perfektion durch IT
Das Gute daran ist, dass eine Live Aufnahme wirklich bestechend gut präsentiert werden kann. Der Nachteil, dass auch ein mittelmäßiger Live Eindruck mit entsprechendem Aufwand sehr manipuliert werden kann.
Als Aufnahmemedium kommen hier oft Laptops zum Einsatz. Meistens über einen vorgegebenen USB-Anschluss oder ein anderes Interface direkt vom Live Mischpult aus.
Das Aufnahmemedium Laptop (Audiobearbeitung)
Weitere Alternativen sind Mischpulte und deren Rack-Versionen, die über einen eingebauten mehrspurigen Recorder verfügen und die bis zu 32 Spuren simultan direkt auf ein USB-Medium oder eine SD-Karte schreiben.
Klar ist auch, dass bei einer hochwertigen Multitrack Aufnahme der Aufwand beträchtlich steigt. Deswegen ist es äußerst hilfreich, wenn Ihr bei der Vorplanung folgende Liste abarbeitet:
1. Welche Qualität soll das Ergebnis haben?
Brauchen wir nur eine Demoaufnahme, um uns im örtlichen Club als Vorband zu bewerben, dann ist der Aufwand sicherlich geringer, als wenn wir uns bei einem etablierten Festival bewerben. Dort wird ein professioneller Gesamtauftritt erwartet. Teil der Bewerbung ist eine gute audiovisuelle Präsentation. Das bringt uns zur nächsten Frage:
2. Wer übernimmt den Mix?
Nach der Aufnahme werden die einzelnen Spuren zusammengemischt. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Vorgehensweisen:
Version A : Ihr entscheidet Euch für die 100 prozentige Live Aufnahme ohne die Neueinspielung oder Korrektur einzelner Spuren.
Version B : Ihr wollt bei Bedarf einzelne Spuren optimieren (Timing, Tonhöhe) oder sie ggf. auch neu einspielen.
Dazu eignet sich ein Mehrspuriges Mischpult. Für den Anfang würde ich das Behringer Xenyx X1204 USB empfehlen. Wer schon etwas weiter ist und etwas mehr Geld, für mehr Spuren ausgeben möchte, empfehle ich das Allen & Heath SQ7.
Auf Thomann findet ihr 100erte weitere Mischpulte.
Bei Version A könnt Ihr die auf Eurem Rechner oder der Recording Card des Mischpults aufgenommenen Spuren mit Eurer Konsole und den dort verfügbaren Effekten rasch und in hoher Qualität abmischen.
Wenn man einmal die optimalen Einstellungen gefunden hat, ist der Zeitaufwand beim späteren Remix Eurer Live Aufnahmen überschaubar. Digitale Pulte und Racks erlauben es, die Einstellungen zu speichern (z. B. als LIVE oder als MASTERMIX Scene) und bei Bedarf in Sekundenbruchteilen zu laden.
Bei Version B braucht Ihr einen leistungsstarken Rechner mit großem SSD Speicher, ein Audio-Programm (Reaper, Cubase, Nuendo, etc) und eine Studio-Grundausrüstung mit Abhöranlage.
Doch das Entscheidende ist Jemand, der sich mit den z. T. recht ausgefeilten Programmen auskennt und idealerweise ein gutes Produzentengehör und Erfahrung hat.
Habt Ihr niemanden in der Band, dann schaut Euch am besten in Eurer Umgebung um, wo ein Studio ist, das mit Eurer Musik etwas anfangen kann. Lasst Euch dort einige Referenzaufnahmen vorspielen; Wenn Ihr sagt: „ja, das passt“ und die Chemie stimmt, dann bezieht das Studio direkt in Eure Vorbereitungen mit ein. So könnt Ihr direkt von Anfang an im Team arbeiten.
3. Welche Songs
Wenn Ihr Euch bewerben wollt, müsst Ihr Prioritäten setzen. Daher sucht Ihr Eure attraktivsten Songs aus, übt und optimiert diese, bis Ihr sie perfekt im Schlaf spielen könnt. Das sind die dann die Titel, die Ihr für Eure Promo nutzt.
4. Anzahl aufzunehmender Spuren, Mikrofone oder sonstiger Eingänge
Hier solltet Ihr nicht geizig sein. Plant lieber am Schlagzeug anstelle von Bassdrum / Snare / Overhead ein paar Mikros mehr ein! Also in diesem Fall ein Mikro für jedes Tom zusätzlich, getrennte Hi-Hat, 2 Overheads (Perfektionisten mikrofonieren jedes Becken einzeln) und 2 Mikros für die Bassdrum, eines davon als Grenzfläche.
Nehmt die Einzelinstrumente idealerweise direkt ab, also per symmetrischer Leitung oder DI-Box. Wenn Ihr akustische Instrumente oder Instrumentenlautsprecher auf der Bühne habt, nehmt die zusätzlich per Mikrofon ab.
Benutzt hochwertige Mikrofone mit passender Richtcharakteristik. Auf lauten Bühnen hilft ein enger Aufnahmewinkel – Typ Superniere – oft dabei, die nicht gewollten Bühnengeräusche auf einzelnen Mikrofonen auszublenden. So lässt sich beispielsweise die Übertragung des Schlagzeuges oder des Bühnenmonitors in ein Gesangsmikro minimieren. Und damit erhaltet Ihr eine bessere Qualität der einzelnen Spuren, was dann auch wieder das Gesamtergebnis verbessert.
Wenn Ihr hier unsicher seid, lasst Euch auf jeden Fall beraten und mietet oder leiht Euch die richtigen Mikrofone, denn die sind entscheidend für die Soundqualität.
Gleiches gilt für die Kabel: Kein Billigschrott auf der Bühne, das gibt nur Probleme. Nicht vergessen: Plant mindestens 2 Condenser Kleinmembran-Mikrofone für die Publikumsreaktionen ein. Diese könnt Ihr in 3-4m Höhe neben der PA platzieren mit Aufnahmerichtung ins Publikum.
Die passenden Typen dafür findet Ihr leicht, es gibt genug gute Hersteller. Sennheiser, Shure, Rode usw. kennt Ihr alle. Ein sympathischer neuer Name ist die Firma Lewitt aus Österreich. Dort gibt es neben einer exzellenten Firmenphilosophie auch bemerkenswerte Mikrofone in Eigenentwicklung zu Top Preisen.
Für die Kanalbelegung des Mischpultes / der Aufnahmespuren wird im Vorfeld ein Kanalplan erstellt: Welches Signal ist wo.
Um eine schnelle Orientierung vor der Studiobearbeitung zu ermöglichen, nehmt am besten noch Eure 2 Masterspuren auf. Diese müssen nicht perfekt sein.
Mehrere Spuren im Display (Multitracksoftware)
5. Auf der Bühne
Generell gilt: je geringer die Bühnenlautstärke ist, desto sauberer werden die einzelnen Mikrofonspuren aufgenommen. Und das ist wichtig für den späteren Mix. Eine schlagzeugverseuchte Gesangsspur ist später nur schlecht zu verwerten. Deswegen runter mit der Bühnenlautstärke, das gilt insbesondere für kleine Bühnen:
- Den Pegel der Gitarren und des Schlagzeugs minimieren. Grade bei den Drums gibt es Becken, Toms und Snares, die auch leise gut klingen. Sollte dann trotz entsprechender Spielweise die Lautstärke immer noch zu hoch sein, gibt es Acryl-Panels, die zur Isolation um das Schlagzeug herum aufgebaut werden. Gitarristen können Ihre Lautsprecher näher ans eigene Ohr bringen und darauf achten, dass die Kollegen nicht direkt in der Schusslinie sind.
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- Monitorlautstärke minimieren oder direkt mit IN-EAR Monitoring spielen.
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- Gute Mikrofonstative einsetzen. Klingt banal, aber tatsächlich überträgt sich Schall bei dünnen, billigen Rohren störend auf die Mikrofone.
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- Wichtig: in jeden Kanal reinhören, ob Übersprechen und die Signalübertragung OK sind.
6. Vorbereitung vor dem Gig
Versucht möglicherweise, einen Tag vor Eurem Gig schon aufbauen zu dürfen. Dann könnt Ihr in aller Ruhe bereits alles optimal positionieren, den Soundcheck machen, eine Probeaufnahme, Lichtprobe, etc.
So wisst ihr, dass ihr keine Störungen aufgrund ungünstiger elektrischer Anschlüsse oder der Lichtanlage zu erwarten habt und Ihr könnt Euch am nächsten Tag ganz auf den Gig konzentrieren.
- Routet Euer Mischpult und das Recording-Equipment und testet es.
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- Überprüft Eure Instrumente, ob alles OK ist und nichts klappert oder mitresoniert (Drums).
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- Wenn man schon aufwändiges Audio-Recording betreibt, ist der Paralleleinsatz von mehreren Kameras und einer Videocrew gar nicht so abwegig. Oft gibt es einen „offenen Kanal“ oder die „Video-AG“ einer Schule in der Region, die sich gerne ansprechen lassen. Wenn Ihr Videos macht, dann sollten natürlich die Bühnenperformance und die Lightshow stimmen.
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- Solltet ihr bereits am Tag vor eurem Gig die Location nutzen können, bietet es sich an, einmal das ganze Programm ohne Publikum durchzuspielen und dabei der Filmcrew die Möglichkeit zu geben, direkt auf der Bühne zu filmen. Die so gewonnenen Groß- und Detailaufnahmen kann man dann in die Videos des Konzerts vom zweiten Tag einbauen, was den finalen Clip sehr viel professioneller wirken lässt. Dabei kommt allerdings viel Datenmaterial zusammen – ein Terrabyte für zwei Drehtage ist durchaus normal.
7. Wo sollen die Aufnahmen stattfinden?
Steht zwar hier am Schluss, gehört aber in die Anfangsüberlegungen. Überlegt euch, wo ihr spielt und aufnehmt. Gerade, wenn ihr mit Videos arbeitet, sollte die Bühne nicht zu klein sein, euch genug Platz für eine gute Performance lassen und der (dunkel gekleideten!) Filmcrew genug Raum, um sich gefahrlos zwischen den Musikern und dem Equipment bewegen zu können. Ebenfalls sollte eine gute Ausleuchtung mit angepasster Lightshow möglich sein.
Große Hallen mit wenig Publikum schaffen Distanz zwischen Künstler und Publikum. Deswegen spielt lieber in einem Club mit 200 feiernden Fans, denn diese Stimmung hört man später auch auf den Aufnahmen.
8. Nach dem Konzert
Sichert als erstes eure Aufnahmen und erstellt eine Sicherungskopie. Wenn Ihr gut gespielt habt und die Technik funktioniert hat, kann die Nachbearbeitung beginnen. Viel Erfolg.
Dazu eignen sich Festplatten (Extern), da sie einfach Beispielsweiße per USB an den Laptop / Rechner angeschlossen werden können.
Vorteile der Multitrack Aufnahme
- Gut gemacht ist ein professioneller Sound möglich.
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- In der Version A haben wir ein qualitativ hochwertiges Ergebnis bereits ohne umfangreiche, zeitaufwändige Nachbearbeitung (100% Live).
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- In der Version B ist fast jede Form der Nachbearbeitung möglich.
Nachteile der Multitrack Aufnahme
- relativ hoher Aufwand für gute Resultate.
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- muss komplett nachbearbeitet werden (Spuren säubern und mixen, mastern).
Einsatz der Multitrack Aufnahme
- Zur persönlichen Kontrolle und Verbesserung (Anmerkung: macht nur in der Version A Sinn. Version B wäre dafür zu aufwändig).
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- Zur Archivierung eigener Songs und Ideen (Anmerkung: Macht nur in der Version A Sinn. Version B käme allenfalls bei angedachter CD in Frage).
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- Als Promo-Demo verwendbar für Bookings, Veranstalter, sonstige Bemusterungen, Social Media.
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- Als Live-Cut Bootleg für den Merch-Stand verwendbar.
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- Veröffentlichung als offizielles Live-Album.
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- In Verbindung mit Filmaufnahmen als professioneller Promo-Clip
So, das was´s erstmal wieder von mir. Mehrspurigen Dank an Chris H. aus dem Rhein-Main Gebiet, dem Keyboarder meiner Lieblingssängerin, der ganz unauffällig immer mit den besten Inspirationen und Tipps um die Ecke kommt, super hilfsbereit ist und bei dem ich schon sehr viel lernen durfte.
Habt Ihr schon Erfahrung gemacht mit einem Multitrack-Live-Mitschnitt? Dann schreibt uns Eure Erfahrungen in die Kommentare …
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